OB Dr. Lutz Trümper und Burkhard Lischka fordern Vereinfachung der Hartz-IV-Gesetzgebung

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OB Dr. Lutz Trümper und Burkhard Lischka fordern Vereinfachung der Hartz-IV-Gesetzgebung

Steigende Kosten der Kommunen und Klageflut an den Sozialgerichten

Magdeburgs Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper und Sachsen-Anhalts Justiz-Staatssekretär Burkhard Lischka haben an die Bundesregierung appelliert, die Hartz-IV-Gesetzgebung zu vereinfachen. Ziele sind die dauerhafte Entlastung der Kommunen von den steigenden Hartz-IV-Kosten sowie die Eindämmung der Klageflut an den Sozialgerichten.

Allein die Landeshauptstadt Magdeburg zahlt in diesem Jahr rund 25 Millionen Euro für die Unterkunftskosten von Arbeitslosengeld-II-Empfängern. Darunter sind 9,9 Millionen Euro für Menschen, die trotz Beschäftigung ihren Lebensunterhalt nicht allein bestreiten können.

"Der Bund verzeichnet seit der Einführung des Hartz-IV-Gesetzes erhebliche Einsparungen beim Arbeitslosengeld I, während unser städtischer Haushalt durch die Unterkunftskosten für Arbeitslosengeld-II-Empfänger weiterhin unverhältnismäßig hoch belastetet wird", bilanziert Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper. "Jetzt plant die Bundesregierung ihren Anteil von bislang 25,4 Prozent der Unterkunftskosten weiter zu reduzieren. Das wäre für die finanzielle Situation Magdeburgs eine Katastrophe. Deshalb appelliere ich erneut an die Bundesregierung, von der geplanten Reduzierung zum 1. Januar 2010 Abstand zu nehmen und mit einer Änderung der Gesetzgebung die Kommunen dauerhaft zu entlasten."

Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte Magdeburgs Oberbürgermeister auf die dramatischen Auswirkungen des Hartz-IV-Gesetzes auf die Landeshauptstadt aufmerksam gemacht und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sowie Finanzierungsänderungen für Bedarfsgemeinschaften mit Kindern gefordert.

Sachsen-Anhalts Staatssekretär im Justizministerium Burkhard Lischka fordert vor allem präzisere Formulierungen im Gesetz, um die Klageflut an den Sozialgerichten in Sachsen-Anhalt deutlich zu reduzieren: "Wir gehen davon aus, dass mit präziseren Regelungen die Zahl der Klagen um zehn bis 15 Prozent reduziert werden kann. Dazu hat eine Arbeitsgruppe mit Sozialrichtern mehrerer Bundesländer Vorschläge unterbreitet, die das Gesetz präzisieren, was auch im Interesse der Betroffenen ist. So schlagen die Richter unter anderem vor, den unbestimmten Rechtsbegriff der 'Angemessenheit' bei der Zuweisung von Wohnraum und der Erstattung von Heizkosten abzuschaffen und dafür Pauschalen einzuführen."

Wurden 2004 an den Sozialgerichten in Sachsen-Anhalt 11.248 Klagen gezählt, waren es 2008 insgesamt 19.944. Mehr als die Hälfte davon (11.899) waren Streitigkeiten über Hartz-IV-Leistungen.

Situation in Magdeburg
In Magdeburg lebten im August dieses Jahres 27.081 erwerbsfähige Hilfebedürftige (ALG II) und 7.864 Sozialgeldempfänger in 20.504 Bedarfsgemeinschaften. Dazu gehören fast 4.850 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. "Das sind Magdeburgerinnen und Magdeburger, die einer geregelten Arbeit nachgehen, bei ihrer Beschäftigung aber zu wenig Geld zum Leben verdienen", so der Oberbürgermeister. "In diesen Fällen sind die Kommunen ebenfalls verpflichtet, Kosten für die Unterkunft zu übernehmen und damit auf dem Rücken der Steuerzahler Lohndumping zu fördern. Allein in diesem Jahr zahlt die Stadtverwaltung 9,9 Mio. Euro für die sogenannten Aufstocker und Ergänzer. Wegen einer vom Bund beschlossen Neureglung der Kostenverteilung rechnen wir für 2010 mit einer Steigerung auf rund 10,5 Mio. Euro."

Unbeantworteter Brief an die Bundeskanzlerin
Zur Entschärfung der Probleme hatte Magdeburgs Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper mit einem Brief vom 30. Januar 2009 an Bundeskanzlerin Angela Merkel fünf Vorschläge zur Verbesserung der Situation der Kommunen unterbreitet. Dazu gehören sinngemäß:

1. Die Einführung eines Mindestlohns, z.B. 7,50 Euro pro Stunde
Der Mindestlohn würde dazu führen, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausreicht, um die Lebenshaltungskosten zu bestreiten und keine Sozialleistungen mehr aus dem Hartz-IV-Gesetz in Anspruch genommen werden müssen.

"Wer voll berufstätig ist, muss seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft auch voll bestreiten können", betont der Oberbürgermeister. "Müsste jeder Arbeitgeber einen Mindestlohn zahlen, würde die Zahl der Ergänzer drastisch reduziert werden, weil kein ergänzender Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen mehr bestünde. Hier muss die Bundesregierung dringend handeln. Nur so kann verhindert werden, dass Arbeitgeber Dumpinglöhne zahlen und ihre Beschäftigten auf das ergänzende Arbeitslosengeld II verweisen."

2. Leistungen nach SGB II nur noch für Menschen ohne Beschäftigung
Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II sollten, so wie es die Gesetzesintension war, zukünftig nur noch für Menschen ohne Beschäftigung gezahlt werden.

3. Zusätzlicher Bedarf nur über Wohngeld und Beschäftigung
Ein eventueller zusätzlich bestehender Bedarf für Menschen mit Beschäftigung sollte zukünftig nur noch über das Wohngeld bzw. den Kinderzuschlag gedeckt werden.

4. Kostenloses Essen in Kitas und Schulen
Bei künftigen Überlegungen zur Anpassung und Modifizierung des Kindergeldes sollte auf Lösungen orientiert werden, die ein kostenloses Essen in Kindertageseinrichtungen und Schulen für alle Kinder ermöglichen. Ein solches System würde automatisch Kinder sozialschwacher Familien begünstigen, ohne Kinder einkommensstarker Familien zu benachteiligen. Über eine entsprechende Beteiligung der Länder an einem solchen System müsste in diesem Zusammenhang verhandelt werden.

5. Sozialversicherungspflichtige Minijobs brachten keinen Effekt
Die Einführung sozialversicherungspflichtiger Minijobs war gedacht, um Beschäftigung zu fördern und gegebenenfalls in dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu überführen. Dieser Effekt ist nicht eingetreten. Deshalb muss geprüft werden, ob die Sozialversicherungspflicht für Minijobs wieder abgeschafft werden kann. Damit bestünde auch für Unternehmer kein Grund mehr Arbeitnehmer in Teilzeitjobs zu beschäftigen.

"Aus dem Bundeskanzleramt kam bis heute keine Antwort auf meine Vorschläge", so der Oberbürgermeister. "Dieses Verhalten spricht Bände und beweist einmal mehr, dass die derzeitige Bundesregierung kein wirkliches Interesse an einer Entlastung der Kommunen hat."

Keine finanzielle Entlastung der Kommunen durch Hartz IV
Insgesamt sind die Auswirkungen des Hartz-IV-Gesetzes aus kommunaler Sicht für den Oberbürgermeister eine große Enttäuschung: "Die vom Bund versprochene finanzielle Entlastung der Kommunen ist in Magdeburg bislang nachweislich nicht eingetreten. Die jetzt fünfjährigen Erfahrungen aus der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und die vom Bund zum Nachteil der Kommunen erwartete Quote um 23 Prozent bei der Übernahme der Unterkunftskosten bestärken uns in dieser kritischen Haltung."

Nachricht vom 17.09.2009


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